Innenstädte in Niedersachsen und Bremen: Hoher Handlungsbedarf, um flächendeckend einen attraktiven Nutzungsmix zu entwickeln

Zentrenstudie Niedersachsen & Bremen zur Deutschlandstudie Innenstadt 2024 veröffentlicht

Hannover, 22. November 2024 – Wie bewerten die Menschen in Niedersachsen und Bremen ihre Innenstädte und Ortskerne aktuell und wie sieht deren Zukunft aus? Antworten darauf liefert der Länderbericht zur Zentrenstudie Niedersachsen & Bremen der CIMA Beratung + Management GmbH, die im Auftrag der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern und des Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V. entstand und als länderweite Leitstudie zur Innenstadtentwicklung gilt. Über 1.700 Bürgerinnen und Bürger wurden für die repräsentative Studie befragt. Neben den ländlichen Regionen sind Aussagen für die Großstädte Hannover, Bremen, Braunschweig, Osnabrück und Oldenburg enthalten.

Die Studie zeigt auf, dass die Innenstadt wichtiger Anziehungspunkt für die Menschen bleibt, gleichzeitig stellt sie Handlungsbedarfe für die Gestaltung attraktiver Zentren heraus. „Die Innenstadt lebt und ist vielerorts ein Erfolgsmodell. Viele Menschen suchen sie regelmäßig auf und wissen sie zu schätzen“, so CIMA-Geschäftsführer Martin Kremming. Dennoch zeigen die Ergebnisse in Niedersachsen und Bremen erheblichen Handlungsbedarf und zum Teil auch Handlungsdruck auf. „Corona hat viele Strukturen verändert und die Förderprogramme laufen aus, es muss jetzt gehandelt werden, damit sich die Schere zwischen den Städten, die funktionieren und gesund sind, und denen, die Krisensymptome haben, nicht weiter öffnet“, so CIMA-Geschäftsführer Martin Kremming.

Das zeigen die Ergebnisse der Studie zur Entwicklung der Innenstadtbesuche seit 2022. Niedersachsen und Bremen haben in dieser Zeit nach Corona einen Rückgang zu verzeichnen und verlieren per Saldo Anteile. Eine positive Entwicklung gegenüber 2022 kann nur den Städten Oldenburg und Osnabrück konstatiert werden. Schlusslicht ist Bremen, das wie Braunschweig und Hannover am Ende Besuchende in der Innenstadt verloren hat. Auch der Blick nach vorne stimmt nicht positiv: Die Frage nach dem zukünftigen Besuchsverhalten der Innenstädte ist ein Warnzeichen! Nur Osnabrück weist zumindest eine ausgeglichene Bilanz von Menschen auf, die zukünftig häufiger oder seltener die Osnabrücker Innenstadt besuchen wollen. Alle anderen Städte und Regionen werden Besuchende verlieren.

Dennoch verdeutlichen die Ergebnisse der Studie, dass die niedersächsischen Zentren vor allem eins sind: Shopping-Magnete mit über 60 % der Antworten, dicht gefolgt von Café- und Restaurantbesuchen sowie dem gemütlichen Bummeln mit Freunden. Dienstleistungen, Events und Kultur locken auch, aber Bildung und Bibliotheken? Eher (noch) ein Randthema in der City. Bremen fällt im Vergleich beim Einkaufszweck Shopping deutlich ab, vermutlich ein Ergebnis der starken Konkurrenz in Shopping-Centern und dem Umland sowie einiger markanter Leerstände.

In Niedersachsen insgesamt hält sich der Einzelhandel knapp als wichtigste Funktion der Innenstadt mit nur geringem Vorsprung vor der Gastronomie. In Bremen, Braunschweig und Osnabrück erfolgte die Wachablösung hin zur Gastronomie als wichtigste Innenstadtfunktion. Dies entspricht auch dem Deutschlandtrend und belegt den Wandel, dem die Innenstädte unterlegen sind. Aus Shopping-Städten werden mehr und mehr Gastronomiemeilen.

Es wurde nach Gründen gefragt, Innenstädte nicht aufzusuchen. Drei Viertel der Befragten nannten triftige Gründe: Das herausragende Problem ist die Erreichbarkeit der Innenstädte, offenbar gerade in den ländlichen Räumen sowie den Großstädten Oldenburg, Braunschweig und Osnabrück. Weiterhin wurde primär in Osnabrück, Bremen und Hannover das Stadtbild als Begründung angeführt. Gerade Menschen, die gerne Innenstädte und Zentren besuchen, reagieren sensibel auf markante Leerstände und andere städtebauliche und gestalterische Missstände. Die Erreichbarkeit ist aber Problem Nummer 1.

Kathrin Wiellowicz, Handelssprecherin der IHKN und bei der IHK Elbe-Weser zuständig für Handel und Stadtentwicklung betont daher: „Uns ist bewusst, dass zwar vielerorts am Verkehrskonzept der Innenstädte gearbeitet wird. Dringend sollte jedoch dabei Berücksichtigung finden, dass die Stellschrauben ‚Parkgebühren‘ und ‚Parken am Rand der Innenstadt‘ von den Befragten der Studie schlecht bewertet wurden. Da sind Problembewusstsein und lokal kreative Lösungen unter frühzeitiger Beteiligung der Gewerbetreibenden vor Ort gefragt..“ Die Bewertung der Parkgebühren in der Innenstadt sorgt tatsächlich für die schlechtesten Benotungen. Dabei liegen alle Großstädte noch unter dem schlechten Niedersachsenschnitt von 3,83. Die „Fahrradstadt“ Oldenburg belegt mit 4,4 den Schlussrang, Bremen liegt mit 4,2 knapp davor. Bei der Beurteilung der Parkplätze in der Innenstadt führt „die Autostadt“ Hannover die betrachteten Großstädte klar an, wenn auch mit der schmeichelhaften Note 3,7.

Dazu führt Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V. an, dass „die Niedersachsen und Bremer das Parken in der Nähe der Zentren deutlich präferieren. Das darf nicht außer Acht gelassen werden. Hier müssen viele Städte nachlegen und wohl zweigleisig fahren: So gilt es, einerseits das Parken und die Parkleitsysteme zu optimieren und andererseits kluge Maßnahmen zu ergreifen, um Kunden, die mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV die Innenstädte erreichen wollen, den Weg zu erleichtern. Nur dann wird der mobile Wandel klappen, ohne dass die Innenstädte und die dort tätigen Akteurinnen und Akteure kollabieren“. Die Studie zeigt, dass auch beim Radwegenetz mehr Investitionen von den Befragten als notwendig erachtet werden, wo zwischen den Benotungen aus Oldenburg (bester Wert mit 2,94) und dem abgeschlagenen Osnabrück mit der Note 3,95 eine Menge Platz ist.

Aber was kann beim Parken in den Innenstädten die Lösung sein? Soll Parken in den Innenstädten teurer werden, damit der mobile Wandel in Gang kommt? Ein Großteil der Befragten lehnt dies ab. Knapper beurteilt wird die Maßnahme, dass zugunsten von witterungsgeschützten Fahrradstellplätzen PKW-Stellplätze wegfallen könnten. In Bremen, Osnabrück, Hannover und Oldenburg wird dieser Maßnahme sogar mit aufsteigender Tendenz zugestimmt.

Nach den wichtigsten Handlungsbedarfen gefragt, um die Innenstädte attraktiver zu machen, wird die Verbesserung von Stadtbild und Aufenthaltsqualität als Hauptmaßnahme genannt, um die Innenstädte und Zentren wieder attraktiver zu machen. Aber regional sind Unterschiede vorhanden: Das Stadtbild sollte am dringendsten in Bremen und der Region Hannover verbessert werden. Beim Einzelhandel zeigt sich eine erhebliche Disparität: In der Stadt Hannover wird der Handlungsbedarf als relativ gering eingeschätzt (26 %), während er in der Region Hannover den höchsten Wert erreicht (37 %). Osnabrück hat im Vergleich die größte Dringlichkeit, um Mobilität, Verkehr & Parken in den Griff zu bekommen, damit die Innenstadt attraktiver wird.

Nochmal zur Landeshauptstadt: Hannover wird zwar stellenweise kritisiert, führt aber das Ranking als attraktivste Einkaufsstadt der Befragten in Niedersachsen und Bremen an! Sind es in Hannover also strukturelle Defizite oder ist es das eher schlechte Image? Bei vielen Fragen zu Innenstadtattributen belegt Hannover den letzten Platz. Die Landeshauptstadt wird zwar als Einkaufsstadt nachgefragt, aber gleichzeitig hart bewertet. Im Gegensatz dazu Oldenburg, das durchgängig am besten bewertet wird. Immerhin beim Thema innerstädtischer Bibliotheken räumt Bremen den ersten Platz ab.

Kann wenigstens beim hinlänglich diskutierten Schreckgespenst der Innenstädte Nummer 1, dem Onlinehandel Entwarnung verkündet werden? Auch wenn die Sättigung in den Sortimenten unterschiedlich ist, müssen sich die Städte und Räume in Niedersachsen & Bremen mit einem insgesamt weiterwachsenden Onlinehandel arrangieren, da die Befragten ankündigen, dass die Onlinekäufe zukünftig eher zunehmen werden als abnehmen.

Kathrin Wiellowicz schlussfolgert: Die Studie macht deutlich, dass unsere niedersächsischen Kommunen ein strategisches Gesamtkonzept brauchen, das Handel, Gastronomie und Erlebnisangebote miteinander verzahnt, ein überlegtes Mobilitätskonzept vorhält und gleichzeitig das Stadtbild und somit die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum verbessert. Dazu brauchen die Kommunen sowie die lokalen Gewerbevereine vor Ort auch finanzielle Unterstützung, und da ist weiterhin auch das Land Niedersachsen gefordert“, erklärt Kathrin Wiellowicz.

Mark Alexander Krack bietet an, „dass mit den Kammern und den Handelsverbänden Institutionen vorhanden sind, die in Prozessen vor Ort einbezogen werden sollten, damit in gemeinsamer Arbeit die Interessen aller Akteure gebündelt werden und man sich zu Kooperationen anstiftet, um in den Zentren in Niedersachsen und Bremen wirklich Innenstadtentwicklung zu betreiben. Ziel sind multifunktionale, attraktive Orte für Besucherinnen und Besucher, das ist der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unserer Innenstädte.“

Hier finden Sie die Zentrenstudie: Zentrenstudie Niedersachsen+Bremen